Im Nahen Osten bersten die Häuser und brennen die Menschen, im Sudan gehören Massenvergewaltigungen und millionenfacher Hunger zum Kriegshandwerk, die Türkei, Ägypten und Libyen sind wegen bestialischer Folterpraktiken berüchtigt - und überall werden regelmäßig gute Fluchtgründe geschaffen.
In Leipzig allerdings feiern sich die Ministerpräsident*innen der Bundesländer dafür, dass die Abriegelungen europäischer und nationaler Grenzen gegen den Überlebenswillen von Schutzsuchenden erfolgreich in Stellung gebracht worden sind.
Der migrationspolitische Beschlusskatalog der MPK vom 23. bis 25.10.2024 ist ein geschichtsvergessenes morbides, von regelmäßiger Missgunst gegen Menschen des globalen Südens, fehlendem Rechtsbewusstsein und grundsätzlicher Asylfeindlichkeit gekennzeichnetes Instrumentarium kritisiert der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein.
Dem Geist, der einst unter dem Eindruck des Dritten Reiches und seiner Folgen in Europa zum nationalen Schutzversprechen des Asylgrundrechts und zum europäischen und internationalen Flüchtlingsschutz führte, glauben die Ministerpräsident*innen offenbar mit Stumpf und Stiel exorzieren zu müssen.
Die von ihnen als alternativlos behaupteten „Rituale“ dabei sind übergriffige vorgelagerte Grenzkontrollen im Staatsgebiet der Nachbarn Deutschlands, die Entsorgung der alleinigen Dublinverantwortung in die EU-Frontstaaten, Erpressung der Abschiebungskollaboration von Airlines und der Herkunftsländer mittels Entwicklungshilfe- und Visa-Hebel, Bundesabschiebungslager, Exterritorialisierung von Asylverfahren, Streichung des Familiennachzugs für Kriegsopfer, Migrations(verhinderungs)abkommen mit Autokraten, Abschiebungen in Pariastaaten und Folterregime wie Afghanistan, Syrien und die Türkei und die systematische soziale Prekarisierung mittels Bezahlkarte und Leistungskürzungen für diejenigen, die anders nicht loszuwerden sind. Mit Letzterem sollen künftig auch Ukraine-Flüchtlinge rechnen.
Kaum kaschieren die Länderchef*innen, dass sie dies Sammelsurium - vielfach grund- und EU-rechtswidriger - Restriktionen als wirksames Heilmittel gegen an den Urnen nach rechts abtrünnige Wähler*innen betrachten. Doch schon die jüngere Geschichte lehrt, dass eine stetig sich gegen Minderheiten rechtsdrehende Repressionsspirale bestenfalls Überfremdungsängste in der Mehrheitsgesellschaft reproduziert und potenziert, und die so dringend benötigten Fachkräfte es sich angesichts einer solchen hierzulande beförderten Stimmung lieber anders überlegen, wird dabei tatkräftig ignoriert.
„Schade, dass Schleswig-Holstein sich diesem Zug der ordnungspolitisch fixierten und integrationspolitisch blinden Lemminge vorbehaltlos und selbstvergessen anschließt, anstatt in der MPK für eine sowohl humanitär wie wirtschaftlich bedarfsgerechte Einwanderungs- und Geflüchtetenbleiberechtspolitik einzustehen“, bedauert Martin Link, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein.
Dass Bremen immerhin so viel Contenance gezeigt habe, in einer eigenen Protokollnotiz zum MPK-Beschlussprotokoll klarzustellen, dass die Hansestadt auf Rechtskonformität der Maßnahmen bestehe, die Instrumentalisierung der Entwicklungszusammenarbeit, die Beschränkung des Familiennachzugs, die sozialen Leistungskürzungen für Geflüchtete und die Auslagerung des Asylsystems ablehne, zeige, selbst wenn es nur der Gesichtswahrung diene, eine Alternative zur Nibelungentreue auf, findet Martin Link.
gez. Martin Link, Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein, public[at]frsh.de