Der heutigen Regierungserklärung Ministerpräsident Daniel Günthers zu dem von der Landesregierung beschlossenen "Maßnahmenpaket in den Bereichen Sicherheit, Migration und Prävention" wurde heute von allen Fraktionen - auch denen der Opposition - zugestimmt. Wenig überraschend war, dass die CDU- und die Grünen-Fraktion das Maßnahmenpaket als sicherheits- und migrationspolitisch angemessen lobten. Kritik von SPD betraf allenfalls die noch nicht sichtbare Geschwindigkeit bei der Umsetzung. Die FDP-Fraktion bemängelte nur, dass das Konzept weitgehend aus einer nordrhein-westfälischen Vorlage übernommen worden sei und sie solcherlei Maßnahmen schon im Frühjahr eingefordert hätten. Der SSW lobte zwar das Vorhaben einer Zentralisierung des Abschiebungsregimes, weil es zur Entlastung der Ausländerbehörden beitrage. Als einziger brachte der Abgeordnete Lars Harms ein Minimum an Nachdenklichkeit in die Debatte mit der Warnung, dass den komplexen politischen Handlungsbedarfen allein mit einem Immermehr an ordnungs- und sicherheitspolitischen Maßnahmen zu begegnen, auch der gesellschaftliche Zusammenhalt insgesamt Schaden nähme.
Der Flüchtlingsrat hatte schon vor drei Wochen angesichts des bekannt gewordenen "Sicherheitspakets" der Bundesregierung seine Besorgnis darüber ausgedrückt, dass sich inzwischen eine ganz große Koalition der demokratischen Parteien im Schulterschluss mit den migrations- und flüchtlingsfeindlichen Lösungen von AfD und Konsorten verlieren würden. Der schleswig-holsteinische Landtag war heute offenbar bemüht, eine ebensolche große Koalition zu bilden.
"Bei allen demonstrierten Besorgnissen über das verletzte Sicherheitsgefühl der einheimischen Bevölkerung ist in keinem Redebeitrag der heutigen Landtagssitzung zu Wort gekommen, welche starken Verunsicherungen und Irritationen die seit Monaten immer mehr eskalierende öffentliche Debatte, die Migration vor allem als Problem und allenfalls als Möglichkeit eines arbeitsmarktorientierten Geschäftsmodells versteht, in den migrantischen Communities und bei Menschen mit Migrationsgeschichte hinterlässt", mahnt Martin Link, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein.
Eine sicherheitspolitische Debatte mit Blick auf eine unseriöse Kriminalitätsstatistik, die nur Verdächtige und nicht Verurteilte zählt, und darüber hinaus ausschließlich mit Blick auf islamistische Täter*innen zu führen und nicht zu berücksichtigen, dass die meisten rassistischen, antisemitischen und muslimfeindlichen Gewalttaten nach wie vor von rechtsextremer Seite kommen und sich in großer Zahl gegen Eingewanderte richten, wird einer realitätsnahen Risikobewertung nicht gerecht.
Auch hierzulande äußern inzwischen immer mehr Menschen mit Migrationsgeschichte in Beratungsstellen, auf Schulhöfen und in Belegschaften - selbst solche mit gesichertem Aufenthalt - ihre Angst, wann denn wohl ihre Tage in diesem Land zu bleiben, gezählt sein werden. Einmal mehr ist es der - insbesondere weißen - politischen Klasse nicht gelungen, einen Diskurs zu migrations- und sicherheitspolitischen Herausforderungen zu führen, der bei dem Viertel der Bevölkerung mit Migrationsgeschichte keine Zukunftssorgen provoziert.
gez. Martin Link, T. 0431-5568 5640, public[at]frsh.de