Anlässlich des Weltgesundheitstags am 7. April fordert der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein regelmäßigen Zugang zur Gesundheitsversorgung für Menschen ohne Papiere und kündigt die Gründung einer medizinischen Anlaufstelle in Kiel an.
Deutschland hat eines der am höchsten entwickelten Gesundheitssysteme der Welt. Dennoch fallen Menschen hier durch das medizinische Netz. Betroffen sind insbesondere Menschen, die sich ohne Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland aufhalten. Schätzungen gehen von 500.000 bis zu einer Million Menschen ohne Papiere aus. Das restriktive deutsche Asyl- und Aufenthaltsrecht drängt sie in die Illegalität.
Besonders problematisch wird das, wenn jemand krank oder schwanger wird: Ausländerbehörden bestehen gegenüber öffentlichen Gesundheitsinstitutionen auf Anzeige unerlaubt aufhältiger Personen. Diese Situation führt dazu, dass Menschen über Monate dringend nötige Behandlungen hinausschieben. Krankheiten, die zunächst gut heilbar gewesen wären, chronifizieren. Frauen durchleben Risikoschwangerschaften oder geraten bei der Geburt ihres Kindes in Lebensgefahr.
Im Sozialpakt der Vereinten Nationen, der vor über 30 Jahren von Deutschland ratifiziert wurden, verpflichten sich die unterzeichnenden Staaten in Artikel 12, für jedermann im Krankheitsfall den Genuss medizinischer Einrichtungen und ärztlicher Betreuung sicherzustellen. Damit dieses Recht auch von Menschen ohne Papiere in Anspruch genommen werden kann, müssen Politik und Verwaltung klarstellen, dass sie das gefahrlos tun können.
Die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Aufenthaltsgesetz, die im Herbst 2009 in Kraft traten, stellen einen ersten Schritt dar: sie machen deutlich, dass ärztliche Hilfeleistungen niemals eine Straftat ("Beihilfe zum illegalen Aufenthalt") darstellen. Sie legen fest, dass weder Ärzte noch Praxis- oder Krankenhausverwaltung die zu Behandlungszwecken erhobenen Daten an die Ausländerbehörde weiterleiten dürfen.
Die öffentliche Hand ist im Einzelfall zur Erstattung der Behandlungskosten verpflichtet. Dringend erforderlich ist deshalb ein Erlass des Ministeriums für Arbeit und Soziales in Schleswig-Holstein, in dem die zuständigen Sozialbehörden angehalten werden, die anfallenden Behandlungskosten für Menschen ohne Papiere zu übernehmen. Die Erstattung über eine Krankenversicherung ist bisher nicht möglich, da sich Menschen ohne Aufenthaltsstatus nicht Krankenversichern können.
Außerdem sollte in diesem Erlass ultimativ klargestellt werden, dass die Sozialämter den Ausländerbehörden keine Informationen über den fehlenden Aufenthaltsstatus der PatientInnen übermitteln dürfen. Dies ergibt sich aus der auch für Behörden geltenden "Verlängerung der ärztlichen Schweigepflicht" und ist unabdingbare Voraussetzung dafür, dass sich Menschen, die dringend eine Behandlung benötigen, auch an Ärztinnen und Ärzte wenden.
Um Menschen ohne Papieren einen ersten Ort angstfreien Zugangs zur Gesundheitsversorgung zu ermöglichen, trifft sich aktuell eine Gruppe unter Beteiligung des Flüchtlingsrats Schleswig-Holstein, um in Kiel ein "Medibüro" aufzubauen: eine ehrenamtlich betriebene Anlaufstelle für Menschen ohne Papiere, die Vermittlung in ärztliche Behandlung organisiert.
gez. Martin Link, Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.
Kontakt zum Projekt "Medi-Büro-Kiel":
Johanna Boettcher, Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V., Tel.: 0431-2393924, <link mail ein fenster zum versenden der>lis[at]frsh.de