Ein kürzlich von PRO ASYL und WADI veröffentlichtes Gutachten zeigt: Die Lage der Jesid*innen im Irak ist düster – und wird es absehbar bleiben. In ihrer Herkunftsregion Sinjar kämpfen staatliche und nichtstaatliche Akteure rücksichtslos um Macht und Einfluss. Der aktuelle Lagebericht des Auswärtigen Amtes (Stand April 2024) bestätigt, dass „die Zukunftsperspektiven in Sinjar angesichts herausfordernder Lebensbedingungen, der Präsenz von nicht-staatlichen Milizen sowie einer mangelnden Umsetzung des sog. Sinjar-Abkommens schwierig“ bleiben.
Ungeachtet dessen zaudern Bund und Länder, einen angemessenen vollständigen Abschiebungsstopp zugunsten von Jezid*innen aus dem Irak zu beschließen, und sind mehrheitlich gewillt, volljährige, männliche Jesid:innen in diese prekäre Sicherheitslage abzuschieben und sie dort ihrem perspektivlosen Schicksal zu überlassen.
Mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen im Irak ist ein Abschiebestopp längst überfällig: Die Lage für Jesid*innen hat sich in den letzten Wochen verschärft. Nach dem Willen der irakischen Regierung sollen Zehntausende Jesid*innen die Flüchtlingslager im Nordirak verlassen – ohne, dass es einen sicheren Ort für sie gibt. Konkret bedeutet das: Genau zehn Jahre nach dem Beginn des Völkermords durch den IS stehen die Jesid*innen im Irak vor einer völlig ungewissen Zukunft. Es ist unklar, ob die Lager ab August noch eine Grundversorgung erhalten, ob die Schulen in den Camps nach den Sommerferien wieder öffnen werden.
Der aktuelle Lagebericht des Auswärtigen Amtes betont, dass die geplante Schließung der Flüchtlingslager in der kurdischen Autonomieregion sogar mit einer noch schlechteren Versorgung einherginge und die Situation für Jesid*innen zusätzlichen verschärfen würde. Auch eine innerirakische Fluchtalternative gibt es nicht, denn die jesidischen Familie sind auf die lebenswichtige Gemeinschaft und deren Schutz in ihren traditionellen Siedlungsgebieten im Norden angewiesen.
Dem Flüchtlingsrat ist es ein großes Anliegen, anlässlich des traurigen Jahrestages an die Opfer des Völkermordes, an die Tausenden Männer, Frauen und Kinder zu erinnern, die vor zehn Jahren ermordet, verschleppt und vergewaltigt wurden. Den überlebenden Familienangehörigen, Freund*innen und Bekannten möchte der Flüchtlingsrat sein tiefstes Mitgefühl und seine Solidarität ausdrücken.
Im Gedenken an den Jahrestag wird der Flüchtlingsrat gemeinsam mit der Landesbeauftragten für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen SH, dem Yezidischen Forum und den LAGn der SPD und der Grünen am 3. September den Fachtag "10. Jahrestag des Genozids an den ÊzîdInnen" im Kieler Landeshaus ausrichten.
gez. Martin Link, Flüchtlingsrat SH, T. 0431-5568 5640, public[at]frsh.de