Bild: Tim Eckhorst.
Nicht immer können Familien gemeinsam fliehen. Andere werden auf der Flucht getrennt. Daher leben Familienmitglieder oft in großer Sorge umeinander. Zukunftsperspektiven für diese Familien sind notwendig, da gegenseitiger Halt und Unterstützung in einem zunächst fremden Umfeld für die Betroffenen existenziell sind. Die familiäre Unterstützung ist eine wichtige Ressource auch für Integrationsprozesse.
Der Familiennachzug ist ein sicherer Zugangsweg, der Gefahren der Fluchtwege verringern kann. Legale Wege der Familienzusammenführung können verhindern, dass Menschen risikoreiche Wege zu ihren Familienangehörigen suchen.
Die Familie ist der Kern aller Gesellschaften, sie wird vom Grundgesetz als ein existenzieller Teil menschlichen Zusammenlebens geschützt. Auch im internationalen und europäischen Recht ist das Menschenrecht auf Familienleben verankert. Mindestens wenn im Herkunfts- oder in einem Drittland die Familieneinheit der Kernfamilie nicht hergestellt werden kann, besteht ein Grund- und Menschenrecht auf Nachzug der Angehörigen.
Wir rufen den Ministerpräsidenten des Landes Schleswig-Holstein Daniel Günther dazu auf, seine Bundesratspräsidentschaft zu nutzen, um darauf hinzuwirken, dass der verfassungs-, europa- und völkerrechtlich garantierte Schutz der Familie für Flüchtlingsfamilien in Deutschland Realität wird.
Der Rechtsanspruch auf Familiennachzug für subsidiär Geschützte muss wiederhergestellt werden.
Mit dem „Familiennachzugsneuregelungsgesetz“ vom 1.8.2018 wurde ein Anspruch auf Familiennachzug für subsidiär geschützte Personen in Deutschland endgültig abgeschafft. Diese Diskriminierung gegenüber Flüchtlingen mit Anerkennung gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention wiederspricht EU-Recht. Die Schlechterstellung ist nicht gerechtfertigt, da die befürchtete Überforderung der Aufnahmesysteme auf vollkommen überzogenen Zahlen beruht. Das mögliche monatliche Kontingent für den Familiennachzug subsidiär Geschützter (1.000 Visa im Monat), welches bis jetzt zu lediglich 0,92 % erreicht wurde, schafft ein willkürliches Gnadenrecht.
Entgegen geltender EU-Rechtsprechung werden in Deutschland auch subsidiär geschützte Minderjährige, die während des Asylverfahrens volljährig werden, vom Recht auf Familiennachzug ausgeschlossen. Offenbar versuchen Behörden durch erheblich entschleunigtes Verwaltungshandeln den Nachzug der Eltern und Geschwister auszusitzen.
Der Geschwisternachzug zu unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen muss erleichtert werden.
Kinder und Jugendliche leiden besonders unter der Trennung von ihrer Familie – speziell, wenn sie in ständiger Sorge um diese leben und lernen müssen. Familien, die zu ihren minderjährigen Kindern nachziehen, müssen sich regelmäßig aufteilen. Für einen Nachzug der Familie inklusive Geschwistern müsste das in Deutschland lebende Kind nachweislich den Lebensunterhalt der gesamten Familie sichern können.
Oft bleibt deshalb ein Elternteil zunächst im Herkunftsland bei den Geschwistern – die Familie bleibt damit weiter getrennt.
Die Anforderungen für den Geschwisternachzug müssen gesenkt und ein gemeinsamer Nachzug von Eltern und Geschwistern ermöglicht werden. Momentan können Geschwister nur dann gemeinsam mit den Eltern nachziehen, wenn die Behörden eine außergewöhnliche Härte erkennen. Es ist aber in jedem Fall unmenschlich, Eltern zu zwingen, sich für die Familieneinheit mit einem Teil ihrer minderjährigen Kinder zu entscheiden!
Familiennachzug muss auch außerhalb der Kernfamilie effektiv möglich sein.
Familienangehörige, die nicht Ehepartner oder deren minderjährige Kinder sind, können nur nach Ermessen der Ausländerbehörden und unter Voraussetzung besonderer Härte zusammengeführt werden. Auch Omas, Opas, Onkel, Tanten, ältere Kinder oder Geschwister sind Familie. Familienangehörige, zwischen denen enge soziale Bindungen oder Abhängigkeiten bestehen, müssen zusammenleben können. Insbesondere müssen fürsorge- und pflegebedürftige Familienmitglieder mit nachziehen können.
Bürokratische Hürden müssen abgebaut und Wartezeiten verringert werden.
Visaanträge der Familienmitglieder können bei den deutschen Botschaften oft nur nach monatelanger Wartezeit gestellt werden. Um ihre Identität und Familienbeziehungen nachzuweisen, werden grundsätzlich gültige Reisepässe, Heirats- und Geburtsurkunden gefordert. Deren (Neu-)Beschaffung bei den Behörden des Verfolgerstaats ist nicht nur teuer und zeitaufwändig, sondern in manchen Fällen gefährlich oder schlicht unmöglich. Die deutschen Standards zur Identitätsklärung sollten an den europäischen Rahmen und die Lebensrealität von mehrfachvertriebenen Familien angepasst werden. Alternative Wege zur glaubhaften Beurteilung der Familienbeziehungen und Identitätsklärung müssen eröffnet werden, nötigenfalls muss auch ein DNA-Gutachten genügen können.
Finanzielle Unterstützung der Familienzusammenführung.
Zur Verwirklichung ihres Rechts auf Familienleben müssen sich Flüchtlinge oftmals hoch verschulden. Die finanzielle Entlastung bei Pass-, Visa-, Reise-, Ausreisekosten und DNA-Tests muss geregelt werden. Auch der Verzicht auf nicht unbedingt notwendige Dokumente kann eine finanzielle Entlastung sein.
Zügige Familienzusammenführung im Dublin-Verfahren.
Tausende Flüchtlinge mit Angehörigen in Deutschland warten in EU-Mitgliedsstaaten, insbesondere in Griechenland, auf eine Überstellung nach Deutschland. Die derzeitigen Verzögerungen bei der Überstellung von Ehepartnern, Eltern und Kindern im Dublin-System ist eine unnötige Verlängerung menschlichen Leids. Innerhalb der EU muss Deutschland an zügigen und unbürokratischen Überstellungen mitwirken.
Familienzusammenführung innerhalb Deutschlands.
Deutschland braucht verbindliche Regeln, die das Zusammenleben von Familien ermöglichen. Zuweisungsentscheidungen durch das EASY-System müssen die Einheit der Familie – auch jenseits der Kernfamilie – berücksichtigen. Das gilt besonders, wenn die Familienangehörigen aufeinander angewiesen sind. Eine Unterbringung bei Angehörigen statt in staatlichen Aufnahmeeinrichtungen muss unkompliziert möglich sein.
Erstunterzeichnungen:
- Antidiskriminierungsverband Schleswig-Holstein e. V.
- Der Beauftragte für Flüchtlings-, Asyl und Zuwanderungsfragen des Landes Schleswig-Holstein beim Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtages
- Die Beauftragte für Migrations-, Asyl- und Menschenrechtsfragen der Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland
- Die Flüchtlingsbeauftragten der Ev.-Luth Kirchenkreise Schleswig-Holsteins:
- Flüchtlingsbeauftragte des Ev.-Luth Kirchenkreises Altholstein
- Flüchtlingsbeauftragte des Ev.-Luth. Kirchenkreises Dithmarschen
- Flüchtlingsbeauftragte des Ev.-Luth. Kirchenkreises Hamburg-Ost
- Flüchtlingsbeauftragte des Ev.-Luth Kirchenkreises Hamburg-West/Südholstein
- Flüchtlingsbeauftragte des Ev.-Luth. Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg, Elisabeth Hartmann-Runge
- Flüchtlingsbeauftragte des Ev.-Luth. Kirchenkreises Nordfriesland
- Flüchtlingsbeauftragte des Ev.-Luth. Kirchenkreises Plön-Segeberg, Astrid Dethloff
- Flüchtlingsbeauftragte des Ev.-Luth. Kirchenkreises Rantzau-Münsterdorf, Pastorin Birgit Dušková
- Flüchtlingsbeauftragter des Ev.-Luth. Kirchenkreises Rendsburg-Eckernförde, Walter Wiegand
- Flüchtlingsbeauftragte des Ev.-Luth. Kirchenkreises Schleswig-Flensburg
- Flüchtlingsbeauftragter des Ev.-Luth. Kirchenkreises Ostholstein
- Pastorin Christiane Klinge, Ev.-Luth. Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg
- DGB Kiel Region
- Pastor Dietrich Waack
- Erzbistum Hamburg, Katholisches Büro Schleswig-Holstein
- Flüchtlingshilfe Flensburg
- Flüchtlingsrat Baden-Wittenberg e. V.
- Bayerischer Flüchtlingsrat e.V.
- Flüchtlingsrat Niedersachsen e. V.
- Flüchtlingsrat NRW e. V.
- Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e. V.
- Hessischer Flüchtlingsrat e. V.
- Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt e. V.
- Sächsischer Flüchtlingsrat e. V.
- Flüchtlingsrat Thüringen e. V.
- FÖRDErverein Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e. V.
- Humanistische Union - Beratung für Frauen, Familien und Jugendliche e.V.
- Pfarrer Joachim Kirchhoff, Katholische Kirchengemeinden Itzehoe und Heide
- lifeline e. V. Vormundschafverein für minderjährige unbegleitete Geflüchtete
- Das Lübeck Flüchtlingsforum e. V.
- Omas gegen rechts Kiel
- PETZE-Institut für Gewaltprävention
- PRO ASYL e. V.
- Der Runde Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel
- Seebrücke Kiel
- Solizentrum Lübeck
- Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/ Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN/BdA)
- ZBBS e. V.
Weitere Unterzeichnungen
- Allgemeiner Studierenden Ausschuss Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
- Aminata Touré, MdL Die Grünen
- Amnesty International Hochschulgruppe Kiel
- Die Antidiskriminierungsstelle des Landes Schleswig-Holstein
- BÜNDNIS 90/Die Grünen Landesverband Schleswig-Holstein
- Die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten
- Delara Burkhardt, Stellv. Bundesvorsitzende der Jusos, Kandidatin für das Europäische Parlament
- Deutscher Kinderschutzbund Landesverband Schleswig-Holstein e. V.
- Diakonisches Werk Schleswig-Holstein
- DKP Kiel
- Enrico Kreft, SPDSH-Spitzenkandidat zur Europawahl
- Geschäftsstelle Echte Vielfalt
- Kreisverband Kiel von Bündnis 90/Die Grünen
- Landesarbeitsgemeinschaft Migration & Flucht von Bündnis 90/Die Grünen
- Landesarbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt in der SPD Schleswig-Holstein
- Lasse Petersdotter, MdL Die Grünen
- DIE LINKE Schleswig-Holstein
- Marianne Carstensen, Husum
- Pastor Matthias Mannherz, Elmshorn
- DER PARITÄTISCHE Schleswig-Holstein
- Rasmus Andresen, MdL Die Grünen, Vizepräsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages
- Serpil Midyatli MdL SPD
- SPD Schleswig-Holstein
- SSW im Landtag
- SSW Landesverband
- Swana Lohse, Ehrenvorsitzende Die PARTEI Schleswig-Holstein
- Tanja Schunert, Preetz
- #wirsagenMOIN
- ZEIK - Zentrum für Empowerment und interkulturelle Kreativität
Kontakt und Informationen:
Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V. unter public@frsh.de oder 0431 55685360.