Der Flüchtlingsrat betrachtet die vorgestellte Kommission von EU-Präsidentin von der Leyen mit Sorge. Die geplante Kommission ist die rechteste Kommission in der Geschichte der Europäischen Union, was den anhaltenden Prozess von Populismus und rechter Politik in der EU auf ein neues Level hebt. Grüne und Sozialdemokraten des EU Parlaments kritisieren die Ernennung rechter Parteipolitiker*innen als Belohnung für deren rechtswidrige Politik und stellen die Eignung solcher Kandidaten in Frage.
Das betrifft beispielweise den Österreicher Magnus Brunner, der Kommissar für Innere Angelegenheitenund Migration werden soll. Brunner gehört der ÖVP an, die in ihrem EU Wahl Programm zum Thema Migration vor allem auf Abwehrmechanismen wie Zäune, verbesserte Grenzschutztechnologie und ein höheres Budget für Frontex setzt. Der Familiennachzug soll zudem erschwert und Abschiebungen in Drittstaaten ermöglicht werden.
Obwohl diese Ideen in Europa von Populisten zu Konservativen und mittlerweile auch Politiker*innen der Mitte herumgereicht werden, sind sie keine geeigneten Maßnahmen um auf das bestehende und zukünftige Migrationsgeschehen zu reagieren. Die Abschottungspolitik der EU nimmt seit Jahren zu, führt zu katastrophalen Situationen an der EU Außengrenzen und setzt regelmäßig neue Menschrechtsstandards außer Kraft. Ebenso sind gewalttätige und brutale Push-backs u.a. aus Griechenland, Bosnien und Polen bekannt. Solche illegalen Praktiken, die den Augen der Öffentlichkeit meist vorenthalten werden, werden unter Brunner vermutlich nicht eingedämmt, sondern eher verstärkt werden. Insbesondere mit Blick auf das gemeinsame Europäische Asylsystem das 2026 in Kraft treten wird, sind Verschärfungen in der Asyl- und Migrationspolitik bereits gesetzlich beschlossen. Es kommt nun darauf an die Ausgestaltung des restriktiven Systems so menschenrechtskonform wie möglich zu implementieren.
Noch problematischer ist vielleicht die Ernennung von Raffaele Fitto, der der postfaschistischen Partei Italiens von Giorgia Melonis angehört. Die Ernennung sendet ein fatales Zeichen, indem faschistische Interessengruppen in der EU Zugang zu Entscheidungsstrukturen erhalten und etabliert damit rechtsextremistische Einflussnahmen in den Strukturen und der Politik der Europäischen Union.
Obwohl sich die EU weit weg anfühlen kann, haben diese Ernennungen konkrete Konsequenzen und das nicht nur auf EU Ebene. Raffaele Fitto wäre in seiner neuen Position für den europäischen Sozialfond verantwortlich, welcher den sozialen Zusammenhalt und die Beschäftigungsfähigkeit in der EU fördern soll. Der ESF finanziert wichtige Projekte der Arbeitsmarktintegration und ist damit ein zentraler Fördergeber für Projekte in der Geflüchtetenarbeit. Die Verwaltung des Fonds könnte also ganz konkret Integrations- und Solidaritätsstrukturen vor Ort desavouieren.
Davon abgesehen ist ein rechter Politiker, selbst wenn er manchen als gemäßigt gilt, für den Zusammenhalt Europas gefährlich und als EU Vizepräsident ungeeignet.
Schon früher sind ungeeignete Kandidaten vom EU Parlament angelehnt worden, denn die Kommission muss vom Parlament bestätigt werden. Deshalb ist jetzt noch Zeit sich gegen die Nominierung zu stellen. Höchste Zeit, sich an die EU Abgeordneten zu wenden und ihnen zu sagen, was aus demokratischer und menschenrechtlicher Perspektive von den Nominierungen zu halten ist und einzufordern, die Nominierungen zu verhindern: Vollständige Liste | Abgeordnete | Europäisches Parlament (europa.eu)[1]
Für Menschenrechte, zukunftsfähige Lösungen und ein solidarisches Europa!
gez. Leonie Melk, Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V., lm[at]frsh.de, T. 0431-735 000