Nach Ursula von der Leyens jüngster Befürwortung von Offshore-Gefangenenlagern und der Ankündigung anderer EU-Staats- und Regierungschefs, die Asyl- und Flüchtlingsrechte einzuschränken, wenden sich Migrantenorganisationen in einem Schreiben an die EU-Institutionen und fordern Alternativen zum tödlichen Grenzregime der EU.
Aufruf an:
- Ursula von der Leyen, Europäische Kommission und
- die Innenminister*innen der EU-Mitgliedstaaten
Wir, Organisationen, die von Migrant*innen und rassifizierten Menschen geführt werden, und unsere Unterstützer*innen schreiben an die europäischen Politiker*innen, um die gewalttätige, strafende und unmoralische Wende in der europäischen Migrationspolitik der letzten Wochen zu verurteilen.
In den letzten Wochen haben wir, die Bewohner*innen Europas, die sich sowohl in neuen als auch in langjährigen Migrantengemeinschaften organisieren, beobachtet, wie die EU-Chefs den Migrant*innen und dem internationalen Recht den Krieg erklärt haben.
Angefangen bei illegalen Vorschlägen zur Aussetzung des Asylrechts und zur Einführung von Offshore-Modellen für die Verfahren von Migrant*innen, über die Erstellung von EU-Listen „sicherer“ Drittstaaten und verlängerte Kontrollen an den Binnengrenzen des Schengen-Raums bis hin zu unserer ständigen Realität von gefängnisähnlichen Haftanstalten, staatlicher Gewalt und rassistischen Profilen, illegalen Zurückschiebungen und gewaltsamen und rechtswidrigen Abschiebungen haben die europäischen Politiker*innen einen Punkt erreicht, an dem es kein Zurück mehr gibt.
Diese Ankündigungen sind Teil einer zunehmenden Dämonisierung von Migrant*innen und der vollständigen Aushöhlung des internationalen Rechts. Seit fast einem Jahrzehnt verfolgt die Europäische Union gewalttätige, ineffektive und teure Migrationsmaßnahmen, die gefängnisähnliche Haftanstalten ausweiten, Racial-Profiling verstärken und Push-backs und Gewalt an den EU-Grenzen fördern.
Menschenrechtsorganisationen haben diese Entwicklungen stets als eklatante Verstöße gegen das Völkerrecht bezeichnet. Wir stimmen dem zu. Wir sollten jedoch auch klarstellen, dass die europäischen Politiker*innen schamlos einer faschistischen Politik nacheifern, die an die genozidale und koloniale Geschichte Europas erinnert. Wir sehen in der konsequenten Dämonisierung und Schuldzuweisung an unsere communities einen klaren Versuch, die Bewohner*innen Europas von jahrzehntelangem politischem, wirtschaftlichem und ökologischem Versagen abzulenken.
Anstatt die Politik auf Sicherheit, Schutz und soziale Versorgung für alle auszurichten, haben sich die europäischen Staats- und Regierungschefs für eine Politik der Versicherheitlichung, Kriminalisierung und Gewalt entschieden. Die EU hat eine Migrationspolitik verfolgt, die darauf ausgerichtet ist, unsere communities zu kriminalisieren, die Grenzen zu militarisieren und rechtsextreme und rassistische Gewalt zu unterstützen.
Was Sie als „Migrationskrise“ bezeichnen, ist in Wirklichkeit eine globale Ungleichheitskrise. Die jüngsten Ankündigungen zur Migration entziehen sich bequemerweise der Verantwortung für die frühere und heutige Rolle Europas bei der Verursachung von Migration: Vertreibung durch Klimawandel und Umweltzerstörung, Ressourcen- und Reichtumsabbau, Kolonialismus, Konflikte, militärische Interventionen und politische Destabilisierung. Die EU präsentiert eine unmenschliche, undurchführbare Antwort auf Probleme, die sie selbst geschaffen und zu denen sie beigetragen hat. Angriffe auf die Rechte von Migrant*innen sind der Beginn von Angriffen auf alle Menschen. Die Politik der Migrant*innenfeindlichkeit und der damit einhergehende Abbau von Rechten hat die Tür geöffnet für Einschränkung der Rechte von Frauen und des Rechts auf Abtreibung, für Anti-Gender-Bewegungen, Anti-Arbeiter-Bewegungen und die weit verbreitete Unterdrückung der Freiheitsrechte. Die rechtsextremen Kräfte, die dieses Narrativ in die Welt gesetzt haben, und die zentristischen Kräfte, die sie normalisieren, sind für eine breitere Bedrohung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verantwortlich. Zusammengenommen wirken sich diese Trends unverhältnismäßig stark auf communities aus, die von staatlicher Gewalt bedroht sind, darunter (undokumentierte) Migrant*innen, rassifizierte, queere und transsexuelle Menschen sowie Sexarbeiter*innen.
Wir fordern die Staats- und Regierungschefs auf, ihren Kurs zu ändern und eine sinnvolle Alternative zur aktuellen EU-Migrationspolitik zu präsentieren, die illegal, unmoralisch und nicht durchführbar ist.
Anstatt Milliarden für neue Offshore-Gefangenenlager, illegale und kostspielige Abschiebeverfahren und die Militarisierung der Grenzen zu verschwenden, könnten die europäischen Staats- und Regierungschefs eine menschenrechtskonforme Politik umsetzen, die auf wirtschaftliches Wohlergehen, Sicherheit und Gemeinschaftsfürsorge ausgerichtet ist und in langfristige Lösungen zur Bekämpfung von Klimaschädigung, Konflikten und wirtschaftlichem Niedergang investiert.
Wir brauchen:
- Sichere und legale Wege für Migrant*innen, Asylbewerber*innen und Flüchtende;
- Wege zur Legalisierung und ein Ende der Kriminalisierung von Menschen, die auf der Flucht sind;
- Bekämpfung der Fluchtursachen, u. a. durch die Beendigung von EU-Investitionen in die Militarisierung und Versicherheitlichung von Grenzen, den Waffenhandel, fossile Brennstoffe und andere industrielle Strategien, die zu Konflikten und Klimazerstörung im globalen Süden beitragen;
- Eine Politik, die sich auf die Bedürfnisse aller Menschen konzentriert (einschließlich Migrant*innen, Schichtarbeitern und Beschäftigten in der Gig-Economy, unbezahlten Pflegeleistenden und Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen), anstatt den Unternehmensgewinnen Vorrang zu geben;
- eine umfassende wirtschaftliche und soziale Strategie für alle in Europa lebenden Menschen.
Wir fordern die europäischen Staats- und Regierungschefs auf, ihren Kurs zu ändern und ihren Krieg gegen Migranten zu beenden. Stattdessen sollten sie ihre Politik neu ausrichten und eine Politik der Fürsorge, des Schutzes und der Sicherheit für alle, einschließlich der Migrantengemeinschaften, in den Mittelpunkt stellen.
Englischsprachiger Aufruf: https://www.equinox-eu.com/eu-leaders-must-end-their-war-on-migrants-and-change-course/
Herausgeber*innen:
- Equinox Initiative for Racial Justice – Europe
- Greek Forum of Migrants – Greece
- International Women* Space – Germany
- Movement for Asylum Seekers in Ireland (MASI) – Ireland
- Equipo del Decenio Afrodescendiente – Spain
Unterzeichner*innen:
- Academics for Peace-Germany, Germany
- Acollides Feministes – Transformem juntes, Spain
- Agora Association, Turkey
- Akoma, Germany
- Albanian Community in Greece, Greece
- AlgoRace, Spain
- All Faiths and None, United Kingdom
- Almena Cooperativa Feminista, Spain
- APROSEX, Spain
- Ariadni A.M.K.E., Greece
- Associació intercultural diàlegs de dona, Spain
- Association de soutien aux travailleurs immigrés – ASTI asbl, Luxembourg
- Association Tunisienne des Femmes Democrates ATFD, Tunisia
- BARAC UK, United Kingdom
- Border Criminologies
- Cantiere, Italia
- Centre for Information Technology and Development, Nigeria
- Centre of legal aid “Voice in Bulgaria”, Bulgaria
- Citizen D / Državljan D Slovenia / EU
- Comitato 3 Ottobre – ETS, Italy
- Conflict Kitchen Foundation / Kuchnia Konfliktu, Poland
- Congolese Community of Brazzaville in Greece, Greece
- Conselho de Cidadania do Brasil em Barcelona, Spain
- EDUXO ITALIA APS, Italy, Belgium, Spain
- EL*C, Europe and Central Asia
- EmpowerVan, Greece / Switzerland
- European Network Against Racism, Europe – wide
- European Network for the Promotion of Rights and Health among Migrant Sex Workers, Europe
- European Network on Religion and Belief, Europe-wide
- European Sex Workers’ Rights Alliance (ESWA), Pan European
- European Union of Women Marina Alta, Spain
- Feminist Collective of Romani Gender Experts
- Flüchtlingshilfe Iran e.V.2010, Germany
- forRefugees, UK
- GAT – Grupo de Ativistas em Tratamentos, Portugal
- Ghanaian Nationals Association in Greece, Greece
- Global Women Against Deportations, England
- Greek Forum of Refugees, Greece
- Hidden Goddess, Greece
- Hoffnung leben e.V., Germany
- HOTM, Belgium
- IGLYO – The International LGBTQI Youth and Student Organisation, Belgium
- Infokolpa, Slovenia
- Ivorian community of Greece, Greece
- KISA- Action for Equality, Support, Antiracism, Cyprus
- Lesvos Solidarity, Greece
- Migrant Tales, Finland
- Migrationsrat Berlin e.V., Germany
- Mulheres Brasileiras contra o fascismo e o racism, Spain
- New Women Connectors, Netherlands
- Nigerian Community Greece, Greece
- Northern Ireland Council for Racial Equality, United Kingdom/Northern Ireland
- One Billion Rising Frauengruppe, Germany
- Racism and Technology Center, Netherlands
- Red Española de Inmigración y Ayuda al Refugiado, Spain
- Refugees in Libya, Italy, Libya
- Refugees Welcome España, Spain
- Revibra Europe, EU
- Romnja Feminist Library
- S.P.E.A.K ( Muslim women collective), The Netherlands
- Safe Passage International, Europe (UK, France, Greece)
- Samos Volunteers, Greece
- Sant Just Solidari, Catalunya
- Siempre ong, Belgium
- Solidaridad Entre PErsonas Integrando Comunidades- SOEPIC, Spain
- Spazio di Mutuo Soccorso, Italia
- The German Center for Integration and Migration Research (DeZIM), Germany
- Trans United Europe-BIPOC European trans network, France
- VELOS YOUTH, Greece
- WeMove Europe, Europe
- Women in Development Europe (WIDE+), Europe
- Women of Colour in Global Women’s Strike, England
- women’s council Dest Dan e.V., BRD
- Yoga and Sport with Refugees, Greece/ France
Unterstützer*innen: - #StopFisha, France
- Abolish Frontex
- ACAT Belgium, Belgium
- Access Now, Belgium/Europe
- aditus foundation, Malta
- Anti Racism Movement, Lebanon
- Anti-Racism Crew Flensburg, Germany
- Asociación Nós Mesmas, Spain
- Aspiration, Belgium
- Association for Integration and Migration, Czech Republic
- barkwende e.V Deutschland, Germany
- Border Violence Monitoring Network
- Bündnis90 /Die Grünen Rosenheim, Germany
- Centre for Peace Studies, Croatia
- Comisión Legal Sol, Spain
- Comitato per i Diritti Civili delle Prostitute APS, Italy
- Coordinadora Obrim Fronteres, Catalonia
- Creación Positiva, Spain
- ECHO100PLUS, Greece
- Equal Legal Aid, Greece
- ERA LGBTI Association for Western Balkans and Turkiye, Western Balkans and Turkiye
- ESPACE P… ASBL, Belgium
- EUR, Greece
- European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), Germany
- Flüchtlingsbetreuung Herzogenaurach, Germany
- Flüchtlingsrat Niedersachsen, Germany
- Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V., Germany
- Front d’habitat lesbien, France
- Fundació Autònoma Solidària, Spain
- Fundación Alianza por la Solidaridad-ActionAid, Spain
- Fundacja Inicjatywa Dom Otwarty, Poland
- Fündec foundation, Spain
- Greek Council for Refugees (GCR), Greece
- Greens Regensburg, Germany
- Griesehop, Germany
- Habibi.Works (Soup and Socks e.V.), Greece
- Human Rights Association (İHD), Turkey
- Integral Germany, Germany
- Inter Alia, Greece
- InterEuropean Human Aid Association (IHA)
- INTERSOS HELLAS, Greece
- Irídia – Centre per la Defensa dels Drets Humans, Spain
- Jüdische Stimme für gerechten Frieden in NahOst e.V., Germany
- Khebra Germany
- Kif Kif vzw, Belgium
- Kopanang Africa Against Xenophobia, South Africa
- La Strada International, Netherlands
- Leibniz Zentrum Moderner Orient, Germany
- Mobile Info Team, Greece
- MV Louise Michel
- N4D, Austria
- Panoptykon Foundation, Poland
- PICUM, Europe/ International
- Pride des Banlieues, France
- Projecte Acollides féministes, Spain
- Red en Defensa de los Derechos Digitales (R3D), México
- Refugee Law Clinic Dresden, Germany
- Refugee Legal Support (RLS), UK / France / Greece
- Salud por Derecho, Spain
- Sea-Watch
- Seebrücke Nordfriesland
- Servei Civil Internacional, Catalunya
- SOLIDAR, Belgium
- Statewatch
- Transnational Institute
- Verdi, Lachesis e.V.
- Wildkräuterschule Artemisia, Germany
- Adele Del Guercio (University of Naples L’Orientale), Italy
- Alexandra Kuon, Germany
- Angela Büttner, Germany
- Anna (International Women* Space), Germany
- Asli Telli (Wits University), Germany
- Bruna Romano Pretzel (Humboldt-Universität zu Berlin), Germany
- Chiara del core, Italy
- Diana Podar (Bielefeld University), Germany
- Diógenes Parzianello, Portugal
- Dr. Mirjam Twigt
- Francesca Cogni, Italy
- Grace Franck Germany
- Ilaria De Capitani
- Jan Tobias Muehlberg (Universite Libre de Bruxelles), Belgium
- Jara Henar, Europe
- Jonathan Bloch, United Kingdom
- Judith Membrives i Llorens (UOC), Spain
- Juli Saragosa (Catalyst Institute of Creative Arts and Technology), Germany
- Julia löschner, Germany
- Juliana Santos Wahlgren, Belgium
- Juliette Vandame, Germany
- Jürgen Prade, Germany
- Laura Jung (University of Graz), Germany
- Laure Baudrihaye (Université Libre de Bruxelles), Belgium
- Leonie Sontheimer, Germany
- Lydia Karagiannaki
- Magdalena Maier, Belgium
- Mara Junge (University of Bremen, German Centre for Integration and Migration Research (DeZIM)), Germany
- Mariam Camilla Rechchad, Belgium
- Marita Blessing, Germany
- Marta Pompili, Belgium
- Mathilde du Jardin (Université libre de Bruxelles), Belgium
- Mercedes Povedano, Germany
- Mher Hakobyan, Belgium/EU
- Nastasja Scholz
- Orcun Ulusoy (Vrije Universiteit Amsterdam), Netherlands
- Peter Weis, Germany
- Rakhal Zaman, Germany
- Rebecca Steel-Jasinska, Belgium
- Rogier van Reekum (Erasmus University Rotterdam), Netherlands
- Rosemary Storkey, United Kingdom
- Roy Konings (KU Leuven), Belgium
- Sal González Leal, Germany
- Sarah Hergenröther, Germany
- Sayra Latif, Germany
- Shelley Anderson, Netherlands
- Suzanne Dominguez, Belgium
- Sydney Ramirez (University of Kassel), Germany
- Tahin Demiral, France
- Teresa Pedreira, Belgium/Brussels
- Ulrike Janz, Germany
- Zeynep Kasli (International Institute of Social Studies, Erasmus University Rotterdam), Netherlands
- Zina Weisner (Department for Migration and Globalisation, University Krems), Austria
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