Der Leuchtturm des Nordens wird seit 2005 jährlich am 10. Dezember, dem Internationalen Menschenrechtstag, an Personen oder Gruppen verliehen, die sich in beispielhafter Weise für die Aufnahme und das Bleiberecht von Geflüchteten und gegen Rassismus und Diskriminierung engagieren.
2024 ging die Auszeichnung an die ehrenamtliche „Besuchsgruppe Abschiebehaft Glückstadt“, die seit der Inbetriebnahme des Gefängnisses mit dort Inhaftierten Kontakt hält und regelmäßige Besuche durchführt. Die Veranstaltung zur Preisverleihung fand statt am 10. Dezember 2024 im Landeshaus Kiel.
Zu dieser vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein gemeinsam mit der Landesbeauftragten für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen und dem FÖRDErverein FRSH e.V. organisierten Veranstaltung waren über 100 Teilnehmende ins Kieler Landeshaus gekommen.
„Spätestens seit es in Gesellschaft und politischen Kreisen immer populärer wird, unter Geflüchtetenpolitik kaum noch mehr, als Abschottung und Abschiebung zu verstehen, gerät das Engagement der ehrenamtlichen Besuchsgruppe Abschiebehaft Glückstadt zu einem Leuchtturm in zunehmend stürmischer See“, erklärte Vereinsgeschäftsführer Martin Link, warum sich der Flüchtlingsrat in diesem Jahr für diese Preisträger*innen entschieden hat.
„Die Besuchsgruppe in der Abschiebehafteinrichtung erhält die Auszeichnung aus meiner Sicht wohlverdient“, freute sich auch die schleswig-holsteinische Landesflüchtlingsbeauftragte Doris Kratz-Hinrichsen, denn „jedes zivilgesellschaftliche Engagement an dieser für die betroffenen Menschen letzten Station ihres Aufenthalts ist wichtig und wertvoll. Aus meiner Arbeit im Landesbeirat für die Abschiebungshaft weiß ich, dass der Zugang der Gruppe zum Geschehen hinter den Gefängnismauern ein besonderer ist. Ich bin für ihre Arbeit sehr dankbar.“
Der Geschäftsführer des Vorjahrespreisträgers SOS Humanity e.V., Till Rummenhohl, war eigens aus Berlin angereist. In seiner Laudatio wandte er sich direkt an die 2024 Ausgezeichneten: „Ihre Besuche sind weit mehr als Gesten. Sie sind Akte der Menschlichkeit in einem System, das oft unmenschlich wirkt. Sie hören zu, übersetzen, vermitteln und stehen den Betroffenen mit Rat und Tat zur Seite. Wie ein Leuchtturm, bringen Sie Licht in die Dunkelheit der Isolation und geben Hoffnung, wo sie am dringendsten gebraucht wird. Dafür möchte ich Ihnen heute von Herzen danken – Sie erinnern uns alle daran, dass Würde keine Verhandlungssache ist.“
Frederik Nedelmann hielt für die Besuchsgruppe Abschiebehaft Glückstadt die Dankesrede zum Preis und betonte, dass die Isolation der Betroffenen in der weitab gelegenen Glückstädter Haftanstalt sehr groß sei. Angehörigen und Freund*innen, soweit sie überhaupt über den Verbleib und die Lage der Betroffenen etwas in Erfahrung bringen könnten, seien – zumal regelmäßige – Besuche kaum möglich. Verzweiflungstaten häuften sich. „Das Gefängnis ist eine Black-Box, und die Informationen, die wir direkt von den Gefangenen bekommen, die den Mut und die Kraft haben, sich in ihrer hoffnungslosen Situation mitzuteilen – sind lediglich die Spitze des Eisberges“, mahnte Frederik Nedelmann mit Blick auf die in Glückstadt Inhaftierten.
Die Skulptur des Leuchtturms des Nordens wurde einmal mehr von den Auszubildenden der Seemannsschule Travemünde gefertigt. Wir danken sehr für diese Unterstützung.
Wie wenig eine zivilgesellschaftliche Solidaritätsarbeit im Wert-losen Raum Bestand haben kann, war im Anschluss an die Preisverleihung das Thema des Vortrags der Kieler Soziolog*in Andrea Dallek zu den Grundpfeilern der Menschenrechts- und Geflüchtetenarbeit. Nicht erst am Tag der Menschenrechte offenbare der Blick in die Welt, wie sehr der Schutz vor Diskriminierung und Verfolgung, selbst das Überleben der Menschen, in Bedrängnis geraten und wie essentiell dabei das Engagement zivilgesellschaftlicher Akteur*innen sei. "Nicht-Regierungs-Organisationen werden zunehmend im Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen und für die Einhaltung der Menschenrechte herausgefordert. Ohne die klare Formulierung und Ratifizierung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte hätte dieser Kampf keine einheitliche Grundlage“, zeigte sich Andrea Dallek überzeugt.
Dass sich im Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein Veränderungen abzeichnen, war Thema eines von Dr. Jasmin Röhl-Azazmah moderierten Gesprächs zwischen dem sich in den Ruhestand verabschiedenden langjährigen Geschäftsführer Martin Link und der neuen Geschäftsführerin des Vereins, Leonie Melk.
Hintergrund:
Die Anerkennungsquoten von in Deutschland Asylsuchenden gehen stetig zurück. Gleichzeitig eskalieren in den Herkunftsländern der Schutzsuchenden wie z.B. in der Türkei, in Afghanistan, im Sudan oder im Nahen Osten die Fluchtgründe. In vielen der Dublin-Vertragsstaaten, wohin solche, die dort nach Europa eingereist sind, zurückmüssen, herrschen soziale Ausgrenzung, oft Gewalt und Internierung oder Mittel- und Obdachlosigkeit.
In der norddeutschen Abschiebungshaftanstalt im schleswig-holsteinischen Glückstadt werden Menschen inhaftiert, die sich außer ihrer Ausreisepflicht eigentlich nichts zu Schulden haben kommen lassen. Unter ihnen sind regelmäßig Schutzsuchende, deren Asylgesuch hier nicht anerkannt worden ist, obwohl sie aber in den Zielländern der geplanten Abschiebung Verfolgungsgefahr oder andere Überlebensnöte befürchten.
Die Glückstädter Haftanstalt verstößt seit ihrer Inbetriebnahme gegen EU-Recht. Der EuGH hatte zuletzt am 10.3.2022 betont, dass Abschiebehäftlinge nicht in Gefängnis-ähnlichen Einrichtungen untergebracht werden dürfen. Dass es sich in Glückstadt aber um ein Hochsicherungseinrichtung handelt, hatte Einrichtungsleiter Stefan Jasper zuletzt im Februar 2024 leutselig eingeräumt.
Die Einrichtung läuft seit ihrer Inbetriebnahme 2021 in Unterlast, weil sich offenbar nicht genug Personal findet, das Lust hat, dort dauerhaft zu arbeiten. Nichtsdestotrotz kostet die Abschiebungshaftanstalt jährlich 18 Mio. Euro – Geld, dass aus Sicht des Flüchtlingsrates sowohl aus humanitären, wie auch aus wirtschaftlichen und demographischen Gründen weitaus besser in eine nachhaltige arbeitsmarktliche und soziale Integration der Schutzsuchenden, als in ihre Abschiebung investiert sein sollte.
Mehr Informationen:
- zum Leuchtturm des Nordens: https://www.frsh.de/fluechtlingsrat/leuchtturm-des-nordens
- zum Bericht 2021 – 2023 des Landesbeirats Abschiebungshaft: https://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl20/umdrucke/03600/umdruck-20-03648.pdf
- zur Besuchsgruppe Abschiebehaft Glückstadt auf facebook: https://www.facebook.com/besuchsgruppe25348/
Kontakt: Flüchtlingsrat SH, T. 0431-5568 5640, public[at]frsh.de