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12. Dezember 2003


Erlass des Innenministeriums SH vom 12. Dezember 2003


Ausländerrecht
hier: Maßnahmen im Hinblick auf die Entwicklung der Zahl geduldeter Ausländerinnen und Ausländer in Schleswig-Holstein


Die aufgrund des Erlasses vom 15.07.2003 (IV 601-212-29.215-7) gemeldeten Daten zu geduldeten Ausländerinnen und Ausländern aus bestimmten Herkunftsländern sind zwischenzeitlich ausgewertet worden. Eine zusammengefasste Darstellung wesentlicher Teile der Auswertung der Daten kann den als Anlage 1 beigefügten Tabellen entnommen werden.

Anlage 1

Anzahl der geduldeten Personen in Schleswig-Holstein
Gesamtzahl (alle in SH erteilten Duldungen) Algerien Bosnien-Herzegowina Georgien Serbien und Montenegro Sri Lanka Türkei
4.261 176 87 64 916 25 676


Sortiert nach dem Jahr der ersten Ausstellung (nur ausgewählte Herkunftsländer)
1994 und davor 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003
47 38 97 118 97 150 261 354 431 351


Verteilung der Duldungsgründe
(nur ausgewählte Herkunftsländer)
§ 53 AuslG Folgeantrag Ungeklärte Identität Kein PEP trotz Mitwirkung Keine Mitwirkung an PEP-Beschaffung Körperliche Erkrankung Psychische Erkrankung Andere Gründe
103 155 23 252 138 75 414 784


Verteilung der "anderen Gründe"
(nur ausgewählte Herkunftsländer)
Kosovo Minderheit Abschiebung steht bevor Familiäre Gründe Angehöriger §53,6 AuslG Angehörige im Verfahren Straftat Minderjährig Verschiedenes/keine Angaben
117 36 75 31 36 12 7 470


Bemerkenswert an der Auswertung ist,
  • dass eine Vielzahl der aktuell geduldeten Personen ihre erste Duldung bereits im vergangenen Jahrzehnt (1990 - 1999) erhalten hat. Hierbei handelt es sich allein für die ausgewählten Herkunftsländer um insgesamt 547 Personen.
  • dass die Anzahl der Personen, für die trotz Mitwirkung an der Beschaffung aktuell kein Passersatzpapier vorliegt, mit 252 aus nur einigen ausgewählten Herkunftsstaaten ebenfalls sehr hoch ist und
  • dass sich die erkennbar hohe Anzahl an psychisch Erkrankten (414 Betroffene) aufteilt in ca. 1/3 tatsächlich erkrankte Personen und ca. 2/3 nicht erkrankte Familienmitglieder.
Bereits mit diesen augenfälligen Erkenntnissen der Auswertung lässt sich ein dringender Handlungsbedarf zur Verringerung der Duldungsfälle belegen. Mit den zur Verfügung stehenden rechtlichen und praktischen Möglichkeiten, die unter den Ziffern 1 - 5 näher dargestellt werden, bestehen Erfolg versprechende Umsetzungsmöglichkeiten.

Grundsätzliche Hinweise:
Unter Hinweis auf die in Ziffer 4 des Erlasses vom 20.12.2002 (Az.: IV 602-212-29.111.1-57) genannten Aufgaben des Landesamtes für Ausländerangelegenheiten sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landesamtes in allen Fragen der Passbeschaffung und Aufenthaltsbeendigung die für Sie zuständigen Ansprechpartner.
Deren Anregungen und Hinweisen ist diesbezüglich regelmäßig zu entsprechen.

Außerdem wird darum gebeten, im Falle von anberaumten Botschaftsvorführungen durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die betroffenen Ausländerinnen und Ausländer hieran teilnehmen. In diesem Zusammenhang wird insbesondere auf die §§ 228 bis 241 des Landesverwaltungsgesetzes (Abschnitt IV, Erzwingung von Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen) verwiesen.

Gleichzeitig wird auf die Ausführungen im Protokoll des Erfahrungsaustausches der Ausländerbehörden vom 15.04.2003 (TOP II 8) hingewiesen.

Darüber hinaus wird in diesem Zusammenhang die Regelung des § 56 Abs. 6 AuslG in Erinnerung gerufen.
Danach ist eine Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen, wenn die Ausländerin oder der Ausländer seit mehr als einem Jahr geduldet wird.
Wird die rechtzeitige Ankündigung versäumt, kann eine sonst mögliche Abschiebung bereits aus formellen Gründen nicht durchgeführt werden.
Dies führt zu unnötigen Verzögerungen und gegebenenfalls zu vermeidbaren Kosten.

Die vorstehenden Hinweise gelten selbstverständlich nicht nur für den Umgang mit der bestehenden Vielzahl von Altfällen. Sie sind grundsätzlich anzuwenden. Lediglich unter Ziffer 1 wird bezüglich der Abarbeitung von Altfällen aus Kapazitätsgründen zunächst eine Einschränkung auf türkische und georgische Staatsangehörige gemacht.
Für aktuelle Fälle gilt diese Einschränkung auf bestimmte Herkunftsstaaten nicht.

Hinsichtlich der unter den Ziffern 2 und 3 beschriebenen Möglichkeiten der Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen wird auf die hierauf anwendbaren Regelungen des Erlasses vom 12.03.1998, Az.: IV 610b-212-234.0-6 (Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen nach § 30 Abs. 3 AuslG bei Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG) hingewiesen.
Bezüglich Ziffer 1.3, dritter Spiegelstrich wird auf die weiter gefassten Ausführungen der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Ausländergesetz unter Ziffer 30.3.8.3 verwiesen.

1. Pass- bzw. Passersatzbeschaffung und Abschiebung
Zunächst wird gebeten, alle Fälle türkischer und georgischer Staatsangehöriger, für die trotz mindestens eines vergeblichen Versuches (mit oder ohne Mitwirkung der Betroffenen) zur Zeit kein Reisepass bzw. kein Passersatzpapier vorliegt (Duldungsgründe 4 und 5), umgehend dem Landesamt für Ausländerangelegenheiten zu benennen und, sofern noch nicht geschehen, entsprechende Amtshilfeersuchen dorthin zu richten. Von dort wird dann in der Folge versucht, Passersatzpapiere für die Betroffenen zu beschaffen und die Ausreise vorzubereiten.
Gerade hinsichtlich der ausgewählten Herkunftsstaaten bestehen diesbezüglich nach aktueller Erkenntnislage gute Chancen.

2. Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen nach § 30 Abs. 3 und 4 AuslG
In der Vielzahl von Fällen langjähriger Duldungserteilung bitte ich zu prüfen, ob die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen nach § 30 Abs. 3 oder 4 AuslG in Betracht kommt.
Bei dieser Prüfung wird um Beachtung der Verwaltungsvorschriften zu § 30 AuslG, die Aufschluss über die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten geben, gebeten.
Gleiches gilt hinsichtlich der Bewertung von bestehenden Regelversagungsgründen für die Verwaltungsvorschriften zu § 7 Abs. 2 AuslG.
Hinsichtlich der Sicherung des Lebensunterhaltes im Rahmen der Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen wird insbesondere auf Ziffer 7.2.2.6 der VwV-AuslG, die dortigen Verweise und § 18 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) hingewiesen.

Sollte die Möglichkeit der Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis im Einzelfall nur an fehlenden Passpapieren oder am mangelnden Einkommen scheitern, sollten die Betroffenen, soweit noch nicht ausführlich geschehen, vorgeladen und hierüber unter Darstellung der aufenthaltsrechtlichen Möglichkeiten in Kenntnis gesetzt und zur Erfüllung der Voraussetzungen animiert werden.

Es wird angeregt, Fälle, in denen die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen aus Sach- und Rechtsgründen möglich ist bzw. durch Initiative der Betroffenen bewirkt wird, wohlwollend zu entscheiden.

Im Falle von vietnamesischen Staatsangehörigen kommt die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis erst dann in Betracht, wenn die Anwendung des geltenden deutsch-vietnamesischen Rückübernahmeabkommens nachweislich nicht zum Erfolg geführt hat.
Auf den Erlass vom 28.11.2003, Az.: IV 604-212-29.211-9 wird hingewiesen.

3. Befugniserteilung in den Fällen der Anerkennung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG Bei geduldeten Personen, in deren Asylverfahren das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG festgestellt hat, bitte ich ebenso wie unter Ziffer 2 um wohlwollende Prüfung, ob die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen nach § 30 Abs. 3 oder 4 AuslG in Betracht kommt.
Dieser Prüfung sollte allerdings eine Einschätzung darüber vorausgehen, ob die für das Bundesamt entscheidungserheblichen Gründe noch vorliegen.
Sollte diese Einschätzung zu einem negativen Ergebnis führen, ist das Bundesamt zu informieren und um Prüfung zu bitten, ob eine Widerrufsentscheidung zu treffen ist.

Sollten die für das Bundesamt entscheidungserheblichen Gründe fortbestehen und damit die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen diesbezüglich in Betracht kommen, gelten die Ausführungen unter Ziffer 2 entsprechend.

Sollte im Einzelfall in den Fällen der Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 6 AuslG eine zeitnahe Aufenthaltsbeendigung erforderlich werden, ist die Ausländerbehörde befugt, den Aufenthalt im Ermessenswege nach § 41 Abs. 2 AsylVfG auch ohne erneute inhaltliche Entscheidung des Bundesamtes zu beenden.
Dabei ist aber zu beachten, dass im Falle des Vorliegens einer extremen Gefahrenlage im Herkunftsstaat, die den Ausländer im Falle einer Abschiebung gleichsam sehenden Auges alsbald dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde, die Abschiebung aus verfassungsrechtlichen Gründen verboten ist und somit eine Ermessensreduzierung auf Null eintritt (vgl. Urteil BVerfG vom 17.10.1995 - 9 C 9.95, übersandt mit Erlass vom 24.01.1996).

4. Umgang mit Fällen krankheitsbedingter Vollstreckungshindernisse
In den Fällen psychischer und anderer Erkrankungen wird um Prüfung gebeten, ob auf diesen Personenkreis bereits der Erlass vom 15.05.2003 sowie der Ergänzungserlass vom 12.09.2003 (IV 602-212-29.111.1-55, Verfahren zur Feststellung inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse bzw. zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen) angewendet worden ist.
Sollte dies nicht der Fall sein, ist dies im Rahmen der turnusmäßigen Überprüfung des weiteren Vorliegens der Vollstreckungshindernisse nachzuholen.

5. Umgang mit Familienverbänden
Nach wie vor gilt der Grundsatz, dass Familienverbände nach Möglichkeit nicht getrennt werden sollen.
Allerdings sind Fälle zu beobachten, in denen Duldungsgründe innerhalb von Familienverbänden sukzessive reihum gehen (z. B. nacheinander gestellte Asylfolgeanträge) oder dass aus anderen Gründen eine Abschiebung einzelner Familienmitglieder erforderlich wird (z. B. Eintritt der Volljährigkeit oder Begehung von Straftaten).
In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass nach der geltenden Rechtsprechung eine Entscheidung zugunsten eines weiteren Aufenthalts ausreisepflichtiger Familienangehöriger mit dem Ziel einer gemeinsamen Ausreise von Ehepaaren oder Eltern mit ihren Kindern nicht zwingend ist.
Die Ausländerbehörde hat die Möglichkeit, unter Berücksichtigung der Schutzwirkungen des Artikels 6 des Grundgesetz (GG) und des Artikels 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) im Rahmen der gebotenen Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Aufenthaltsbeendigung abgelehnter Asylbewerber und dem privaten Interesse an einer gemeinsamen Ausreise zu entscheiden.
Bei einer solchen Entscheidung ist insbesondere zu berücksichtigen, welche Auswirkungen eine Trennung auf einzelne Familienmitglieder haben wird, ob schützenswerte Betreuungs- bzw. Beistandsgemeinschaften bestehen, ob minderjährige Kinder in Begleitung zumindest eines Elternteiles verbleiben oder abgeschoben werden und welches zeitliches Ausmaß die Trennung haben wird.

Die Möglichkeit der Duldungserteilung auf der Grundlage des § 43 Abs. 3 AsylVfG setzt voraus, dass Asylanträge gleichzeitig oder jeweils unmittelbar nach der Einreise (auch Geburt) gestellt worden sind und erkennbar ist, dass die Familienmitglieder alle Vorbereitungen für eine gemeinsame Ausreise treffen.

In den Fällen der Ziffern 2 bis 5 steht der Unterzeichner zur Klärung von Fragen oder zur Erörterung von Einzelfällen zur Verfügung.

Abschließend wird gebeten, über getroffene Maßnahmen jeweils zum Beginn eines Quartals, beginnend mit dem 01.04.2004, unter Verwendung des als Anlage 2 beigefügten Vordruckes zu berichten.


gez. Michael Bestmann


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