Gleich nach der Wahl ist der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein bei CDU und FDP mit den aus seiner Sicht bestehenden dringenden Regelungsbedarfen vorstellig
geworden, z.B.: die landeszentrale Kasernenwohnverpflichtung zugunsten
dezentraler Unterbringung zu beenden; die Residenzpflichtbereiche auf das ganze Bundesland auszudehnen; die volle Integrationsförderung für alle Flüchtlinge zu garantieren; dauerhaftes Bleiberecht und gleiche soziale Teilhabe zu sichern. Von all diesen konkreten Anliegen findet sich im schwarz-gelben Kieler Koalitionsvertrag wenig - jedenfalls nicht ausdrücklich.
Auch dass die nachhaltige Integration und die interkulturelle Öffnung im
Einwanderungsland Schleswig-Holstein eine Querschnittaufgabe ist, die eigentlich in allen Ressorts und Institutionen angesiedelt und umgesetzt sein sollte, spiegelt das Werk nicht erkennbar. Flüchtlinge und MigrantInnen sowie andere Menschen mit Migrationshintergrund werden nur bei "Sport" und unter "Innen und Recht", dort bei "Integration und Ausländerpolitik" erwähnt. Bei "Bildung oder Soziales" sind sie gar kein Thema, auch nicht als Personengruppe mit besonderem Förderbedarf aufgeführt.
Immerhin wird jedoch unter "Innen und Recht" mit Blick auf die im Lande lebenden Flüchtlinge und andere Migrantinnen und Migranten erklärt: "Grundvoraussetzung für Integration ist das Beherrschen der deutschen Sprache. Bildung und Arbeit sind weitere Eckpfeiler für erfolgreiche Integrationsarbeit. CDU und FDP werden das Integrationskonzept des Landes Schleswig-Holstein fortführen. Wir sind bestrebt, die bestehenden Integrationsangebote auch auf Personen mit Duldungsstatus in
Schleswig-Holstein auszuweiten. Die Einrichtung einer Clearingstelle für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wird geprüft."
Wirklich ernst genommen, könnte das schon seit 2002 bestehende
Landesintegrationskonzept, das aber im politischen und exekutiven Leben bis dato seine Möglichkeiten nicht wirklich entfalten durfte, in der Tat zu einem nachhaltigen integrationspolitischen Regierungsinstrument werden.
Nach Verlauten wechselt die gesamte Ausländerabteilung des künftig von Klaus
Schlie (CDU) geführten Innenministeriums jetzt in das neue Ministerium für Justiz, Gleichstellung und Integration. Die u.a. für die arbeitsmarktliche Integration von Flüchtlingen und MigrantInnen zuständige Arbeitsabteilung wandert indessen vom Justiz- zu dem künftig von Heiner Garg (FDP) geführten Sozialministerium.
Erste Prüfungen des im Koalitionsvertrag Gesagten stehen damit für die beiden in dieser Legislatur mit wesentlicher flüchtlings- und integrationspolitischer
Verantwortung betrauten FDP-geführten Häuser schon kurzfristig an:Dass die angekündigte Öffnung “bestehender Integrationsangebote” für Geduldete auch
als Bestandsgarantie für die Landesförderung der Migrationssozialberatungsstellen zu verstehen sei, wird zwar auf unsere Nachfrage hin bestätigt, steht aber unter dem Vorbehalt der anstehenden Haushaltsberatungen. Das im Koalitionsvertrag kategorisch abverlangte “Beherrschen der deutschen Sprache” erfordert konsequenterweise die vollständige Beseitigung bestehender Hürden beim Zugang zu Integrationskursen auch für noch bleiberechtsungesicherte Flüchtlinge in
Schleswig-Holstein. Hamburg beweist die Machbarkeit schon seit 2008.
Ob die entsprechende Formulierung im Koalitionsvertrag darüber hinaus bedeutet, dass Geduldete künftig regelmäßig Zugang in sämtliche Angebote der Arbeitsförderung erhalten, wird sich u.a. zeitnah mit Blick auf die Zielgruppen der geltenden Gesetzlichen Altfallregelung beweisen müssen. Aus dem Bundesinnenministerium kündigt sich immerhin eine Verlängerung der zunächst bis Ende dieses Jahres befristeten Altfallregelung an.
Darauf, wie zeitnah der angekündigten "Prüfung" einer Clearingstelle für
Kinderflüchtlinge tatsächlich deren Einrichtung folgen wird, und darauf welches
Ministerium hier federführend sein wird, sind eine im Bundesland zunehmende Zahl Betroffener und die für diese Zielgruppe seit Jahren engagierten Lobbyorganisationen - nicht zuletzt der Vormundschaftsverein lifeline e.V. - besonders gespannt.
Schließlich werden die Koalitionäre am Schluss ihres Vertrages noch einmal konkret: "Dem Geschäftsbereich des Ministers für Justiz, Gleichstellung und Integration wird ein Beauftragter für Integrationsfragen zugeordnet.” Das Vorschlagsrecht über die konkrete Person obliegt der CDU. Und die weiß wohl auch schon einen Kandidaten aus dem Kreis der Landtagsabgeordneten - hat aber bis Redaktionsschluss keinen Namen verraten. Welche Konsequenzen der künftige ministerielle Integrationsbeauftragte für das beim Landtag angesiedelte und in der Vergangenheit erfolgreiche Amt des Landesbeauftragten für Flüchtlings-, Asyl-, und Zuwanderungsfragen Schleswig-
Holsteins haben wird, ist seitens der Koalitionäre bisher nicht gesagt worden.
Gez. Martin Link
<link file:304 download herunterladen der datei>Anlage: Flüchtlingrat Schleswig-Holstein zur Koallition